Ein anderer Teil von Afrika

Ich sitze im Garten auf einer Bank. Hinter mir hängt Marleen ihre mit der Hand gewaschene Wäsche auf. Die Sonne wärmt meinen Rücken. Es liegen sechs Wochen Praktikum in der Thulamela Municipality (vergleichbar mit einem Landkreis in Deutschland) in Thohoyandou im Norden Südafrikas hinter mir. Dort habe ich gemeinsam mit Lukas die Soziale Arbeit für die Mitarbeiter*innen – also in die betriebliche Sozialarbeit – kennengelernt. Marleen arbeitete in dieser Zeit beim „Center for Positiv Care“, eine NGO die mit HIV-Infizierten, kriminellen Jugendlichen und Flüchtlingen arbeitet. Martina und Tim sind auch noch dabei, die beiden arbeiten in einem Kinderheim ca. 40 Minuten von Thohoyandou entfernt. Dieses Praktikum ermöglicht es uns, einen Einblick in das südafrikanische Leben zu bekommen.

In Thohoyandou leben wenige weiße Personen, wir fallen auf. „Mukuwa“ das Venda-Synonym zum Kiswahili-Wort „Mzungu“ (Weiße) hören ich hier allerdings seltener als damals. Oft denken die Leute zuerst, wir würden aus Kapstadt oder Johannesburg kommen. In diesen großen Städten fallen wir gar nicht auf. Als wir ankamen, war das für mich ziemlich paradox: Ich befinde mich in Afrika, aber bin umgeben von vielen europäisch erscheinenden Menschen. Bei einem Trip nach Kapstadt habe ich mich nicht mehr darüber gewundert. Ich habe mich viel mehr darüber gefreut, wie normal hier Menschen mit den unterschiedlichsten Hautfarben leben und zusammenarbeiten. Die „Regenbogengesellschaft“ scheint zu funktionieren, das ist einfach ein gutes Gefühl. Besonders mit Blick auf die Zeit der Apartheid. Ein Begriff, der bei mir Übelkeit hervorbringt….

Beim Besuch in Kapstadt stand natürlich auch der Besuch der „Robben-Island“ – die Insel auf der in den 60er bis 80er Jahren politische Gefangene festgehalten wurden – auf dem Programm. Wir sahen den Ort, an dem Nelson Mandela seine bedeutenden Texte im Kampf gegen die Apartheid verfasste, den Widerstand organisierte. Wir wurden von einem ehemaligen Insassen über das Gelände geführt. Es war sehr bewegend. In Momenten wie diesen frage ich mich, wie Menschen auf solch‘ grausame Ideen wie Rassentrennung oder Apartheid kommen – und freue mich im selbem Moment, dass ich mich an einem historischen Ort befinde, dass diese Grausamkeiten der Vergangenheit angehören.

Nach dem Besuch musste ich an BILENU denken. Wir setzen uns gegen Vorurteile ein. Versuchen Menschen die Möglichkeit zu geben, den afrikanischen Kontinent aus einer anderen Perspektive, auf Augenhöhe zu betrachten. Versuchen Partnerschaften aufzubauen. Versuchen junge Leute für ein Jahr im Ausland, außerhalb der deutschen Grenzen zu begeistern. Wir versuchen Menschen dazu zu bewegen, über den Tellerrand zu blicken. Das ist ein gutes Gefühl.
Besonders bei der Vorbereitung und in den ersten Tagen in Südafrika dachte ich viel an meine Zeit mit Nine in Tansania. Ich fragte mich, was gleich sein wird, was anders sein wird. Thohoyandou ist von der Einwohnerzahl ausgehend ca. 3 mal so groß wie Kondoa in Tansania. Mit Nine lebte ich bei katholischen Schwestern, hier leben wir in einem eigenen Haus und haben einen Mietwagen. Supermärkte wie Shoprite (vergleichbar mit Lidl oder Aldi), den wir von Kondoa aus in sechs Stunden erreichen konnten, gibt es hier gefühlt an jeder Ecke. Während in Kondoa immer knielange Röcke und bedeckte Schultern an der Tagesordnung waren, spielt dies hier kaum eine Rolle. Auch traditionelle Kleidung sehe ich hier seltener. Allgemein lässt sich sagen, dass sich das Leben hier in Thohoyandou weniger stark vom europäischen Leben unterscheidet, als das Leben in Kondoa. (Soweit ich das nach nach 6 Wochen beurteilen kann).

Rote Erde, Kuh- und Schafherden, Baobabbäume und Akazien, Vodacom, kleine Läden an der Straße, in denen es scheinbar alles zu kaufen gibt, die Wärme und der Sonnenuntergang gegen 18:00 Uhr- das alles weckt Erinnerungen an die Zeit in Kondoa in Tansania. Doch Thohoyandou ist anders als Kondoa. Südafrika ist anders als Tansania. Afrika ist nicht gleich Afrika.

Ina